Glauser und Simenon schreiben einen Kriminalroman
BLICK INS BUCH (LIMMAT VERLAG)
Dort unten im Sand irgendwo! Der Kellner zeigt mit einer vagen Handbewegung in Richtung Strand, bevor er sich wieder der Dame zuwendet und ihr mit einer angedeuteten Verbeugung die kühle Limonade serviert. Das hechelnde Hündchen zu ihren Füßen bekomme sofort einen Napf mit Wasser.
Auf der Terrasse des Grand Hôtel de la Plage herrscht wie jeden Tag zur Stunde des Aperitifs ein lebhaftes Kommen und Gehen, wobei das Kommen überwiegt, viele Gäste suchen vergeblich nach einem freien Tischchen. Sie sind früh vom Strand hochgekommen, haben sich eilig für das Mittagessen umgezogen, und wieder waren andere schneller.
Der berühmte belgische Schriftsteller Georges Simenon steht mit Doktor Schöni, einem Arzt aus der Schweiz, mit dem er allabendlich im Hotel Bridge spielt, am Rand der Terrasse des Grandhotels und schaut suchend über die Strandkabinen, deren blauweiß gestreifte Tücher im Wind flattern. Doktor Schöni tupft Stirn und Nacken mit dem Taschentuch, welch eine Hitze, hier oben unter der Markise ist kein Lufthauch zu spüren.
Doktor Schöni beschattet die Augen, lässt sie über den Strand von Liegestuhl zu Korbsessel wandern, das übliche Gewusel kurz vor Mittag, Mütter, Kindermädchen, Großmütter, man sammelt die verstreuten Eimerchen, Schaufeln und unwilligen Kinder zusammen.
Endlich entdeckt er ihn, einen der wenigen Männer am Strand, die Väter und Ehemänner warten geduldig an der Theke im Strandcafé bei einem kühlen Bier auf ihre Familien. Die sollen sich ruhig Zeit lassen. Weit vorne, beinahe am Wasser, sitzt er, der Schriftsteller Frédéric Glauser, von dem Simenon bis heute noch nie etwas gehört hat.
Er ist wenig erpicht darauf, dass Schöni ihm diesen «Kollegen» vorstellen will, ein Schweizer, ein Landsmann des Doktors, er hat gleich abgewunken, war sauer, weil der Doktor seine morgendliche Zeitungslektüre unterbrochen hatte.
Er, Schöni, schulde diesem Glauser einen Gefallen – eine komplizierte Geschichte –, und ihn, den berühmten Georges Simenon persönlich kennenzulernen, wäre eine gelungene Überraschung. Allerdings ein schwieriger Zeitgenosse. Aber ein genialer Schreiber. Seine Kriminalromane hätten ihn bekannt gemacht, sein Kommissär Studer sei auch schon mit Maigret verglichen worden. Der Glauser schreibe deutsch, er spreche aber sehr gut Französisch.
Weil Simenon nichts Besseres vorhatte, sagte er schließlich seufzend zu, den andern zu treffen. Das hat man davon, wenn einen die Leute kennen.
Ich seh ihn, kommen Sie!