Ein Mann erwacht nach einem Sturz aus dem Koma und weiss nicht mehr, wer er ist. Hat man noch eine Identität, wenn alle persönlichen Erinnerungen verschwunden sind? Mit dieser Frage beginnt für Jean-Pierre Marty, 58, die Odyssee in eine unbekannte Vergangenheit.
Auf Anraten des Psychiaters verarbeitet er seine eigenen, ihm nun fremden Aufzeichnungen aus dem vergangenen Sommer, den der "Andere", wie er ihn nennt, in Royan verbracht hat, einem Städtchen an der französischen Atlantikküste.
Er entdeckt, dass er die Erinnerungen eines Mannes sucht, der in einer verfahrenen Lebens- und Ehesituation steckte und der selber auf der Suche nach seiner Herkunft war: adoptiert, Eltern unbekannt, geboren vermutlich 1945 an der Westküste Frankreichs, in den Wirren des Kriegsendes. Unter den Aufzeichnungen stösst er auch auf ein Manuskript über das Leben unter deutscher Besatzung in einem kleinen Dorf von Austernzüchtern am Atlantik, das der "Andere" offensichtlich mit seiner eigenen Geschichte in Zusammenhang brachte.
Je mehr Marty über die Person erfährt, die er angeblich ist, desto weniger weiss er, ob er zurück in dessen Haut schlüpfen will. Aber wie kann man ohne Vergangenheit die Zukunft planen? Erinnert er sich am Schluss oder erfindet er sich neu? Ist Vergessen ein Unglück oder eine Chance? Wie Marty sein Dilemma löst, ist so überraschend, dass sein Arzt perplex die Patientenakte schliesst.
«Blindgänger» ist ein überraschender Roman über die Verweigerung gegenüber der Geschichte – der kleinen biografischen wie der großen historischen –, der zurückführt in einen Sommer am Atlantik und in die Zeit der deutschen Besatzung Frankreichs.